Naht das Ende wassergeführter Heizsysteme?
Richard Freimüller: „Das stimmt nicht“
Wassergeführte Heizsysteme sind nicht vom Aussterben bedroht, widerspricht Richard Freimüller, Verbandspräsident Wärmepumpe Austria, einer Einschätzung von Redwell Geschäftsführer Michael Ringbauer. Wieso im Zuge der Wärmewende vielmehr mit einem Zurückdrängen von Elektrodirektheizungen zu rechnen sei.
TGA: Michael Ringbauer, Geschäftsführer von Redwell Infrarotheizungen, hat in einem aktuellen TGA-Interview das Aussterben der wassergeführten Heizsysteme vorhergesagt. Was ist Ihre erste Reaktion darauf?
Richard Freimüller: Jeder hat seine Meinung, das ist kein Thema. Nur stimmt das einfach nicht. Wassergeführte Heizsysteme werden weiter bestehen – sie sind in Österreich und Mitteleuropa im Bestand die Norm. Was sich Herr Ringbauer von Redwell wünscht, wird nicht passieren. Glaubt man einer Studie der TU Wien zur Wärmezukunft 2050 und den Aussagen der EU-Politik, dann wird die Elektrodirektheizung – und so etwas ist die Infrarotheizung – ganz massiv zurückgedrängt. Wir müssen Strom einsparen und wenn wir das nach Plan machen, können wir bis 2050 ein Drittel des Strombedarfs für die Räumwärme einsparen. Infrarot ist, wenn der Strom immer grüner wird, zwar eine sehr ökologische Heizung – aber es macht keinen Sinn, diesen Strom eins zu eins zu verheizen, wenn wir Energie einsparen sollten. Da hat die Wärmepumpe einen besseren Wirkungsgrad und sogar sie sollte noch netzdienlicher werden. Der Strom wird weiter schwanken und teurer werden. Bei einem Direktheizgerät ist der Strom weg und es ist kalt oder der Strom ist da und ist es warm. Das dient nicht zum Ausgleich von Lastspitzen, denn wenn es kalt ist, muss das Gerät am Netz hängen.
Anhand einer mathematischen Simulation wurde berechnet, wie sich die Zusammensetzung der Technologien zur Bereitstellung von Raumwärme in Österreich im Zeitraum bis 2050 verändern müsste, um eine Dekarbonisierung zu erreichen. Ausgangslage bildet unter anderem die Annahme, dass bestehende Heizanlagen jeweils bis ans Ende ihrer Lebensdauer genutzt werden und dann durch technisch geeignete und ökonomisch für die Gebäudeeigentümer*innen attraktive Anlagen ersetzt werden.
Im Wärmwende-Szenario sehen die Autor*innen einen sinkenden Strombedarf für die Wärmebereitstellung im Gebäudebestand. Als Gründe dafür werden ein geringerer Wärmebedarf aufgrund der erwarteten Klimaveränderung, Effizienzsteigerungen in Bestandsgebäuden, der vorwiegende Einsatz von Wärmepumpen im Neubau, die Substitution von ineffizienten elektrischen Heizungssystemen durch Wärmepumpen und die Reduktion des Strombedarfs durch den verstärkten Einsatz von Solarthermie in Kombination mit elektrischen Systemen genannt.
TGA: Wenn wir über den Stellenwert von wassergeführten Systemen sprechen, dann sprechen wir natürlich primär über den Gebäudebestand. Wie schätzen Sie die Rolle von Infrarotheizungen im Neubau ein?
Richard Freimüller: Im Neubau steht an und für sich schon die OIB 6 dagegen. Ihr nach kann man eigentlich außer Pellets oder Wärmepumpen nichts mehr Anderes machen. Die OIB 6 schreibt wassergeführte Heizsysteme nicht dezidiert vor, aber die Wärmepumpe und Pellets eignen sich aufgrund der geforderten Ökologie – da geht es um die Energieeffizienz. Und auch Pelletöfen brauchen bis auf Einzelöfen immer wassertragende Systeme. Es gibt inzwischen sogar Kachelöfen mit Wassertasche. Es geht alles in Richtung Wasser. Man muss die Wärme ja flächendeckend im Haus aufteilen.
Zielsetzung der OIB-Richtlinie 6 ist es, den Nachweis der Gesamtenergieeffizienz eines Gebäudes zu ermöglichen und für den Neubau und größere Renovierungen ab dem Jahr 2021 Anforderungen festzulegen, die dem Niedrigstenergiegebäude entsprechen. Das bedeutet einen fast bei Null liegenden oder sehr geringen Energiebedarf, der zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen gedeckt wird. Dazu dient die Verpflichtung zur Anwendung hocheffizienter alternativer Systeme, sofern diese technisch, wirtschaftlich und ökologisch möglich sind.
TGA: Sehen Sie in Sachen Komfort einen Unterschied zwischen wassergeführten Systemen und der Infrarotheizung?
Richard Freimüller: Ja. AEE INTEC hat eine messtechnische Begleituntersuchung von zwei baugleichen Häusern durchgeführt, bei denen eines mit Radiatoren und das andere mit Infrarotpaneelen beheizt wurde. Bei der Infrarotheizung hat die Nutzer*innenzufriedenheit mit der Zeit abgenommen. Wenn Paneele zum Beispiel an der Decke montiert sind, kann es sein, dass aufgrund der Strahlungsasymmetrie die Füße kalt bleiben. Strahlungswärme hat ihre Grenzen, wenn man nicht direkt im Umfeld steht.
TGA: Besonders bekannt unter den elektrischen Heizungen sind ja die Nachtspeicher. Viele Energieversorger bieten das gar nicht mehr an, ist also auch dieser Weg für Endkund*innen versperrt?
Richard Freimüller: Es gibt sehr viele Nachtspeicher in verschiedenen österreichischen Gebieten. Wir arbeiten mit der Energie AG aktuell an einem Konzept für Nachtspeicher. Irgendwas muss man anbieten, was sollen die Kund*innen denn sonst machen? Wie soll man zum Beispiel einen ganzen Wohnbau umstellen? Da ist ein wassertragendes System nur mit großen Schwierigkeiten realisierbar. Solange der Strom so günstig war wie jetzt, war das kein Problem. Aber ich glaube wenn schon Elektroheizung, dann ist ein Nachtspeicher immer noch netzdienlicher als eine Direktheizung. Man muss bei den Nachtspeichern zukünftig von der langen Ladezeit und großen Dimensionierung weggehen. Mir schweben Modelle vor, wo am Tag ein paar Mal automatisch Wärme zur Verfügung gestellt wird. Klassische Nachtspeicher sind nicht mehr so sinnvoll, weil es Nachtspitzen nicht mehr so gibt. Daher wären Spitzenlastausgleiche eher am Tag, wenn zum Beispiel Photovoltaikstrom zur Verfügung steht, wichtig. Inzwischen gibt es auch die Möglichkeit, Nachtspeicher direkt mit der eigenen PV-Anlage zu versorgen. An und für sich sind Nachtspeicher leichter mit PV-Anlagen zu betreiben als viele Wärmepumpen, die Anlaufstrom für den Kompressor brauchen, denn beim Nachtspeicher sind viele Einspeisungsstufen möglich. Aber nicht vergessen, es gibt auch Inverter-Wärmepumpen.
TGA: Aber auch Infrarotheizungen ließen sich durchaus mit PV-Anlagen kombinieren…
Richard Freimüller: Das stimmt, aber es muss überlegt werden, wann die Gleichzeitigkeit im Winter da ist. Wenn man einen Anschluss von über 1.5 kW hat, kann nicht stufenlos geschaltet werden, außer die Paneele sind stufenlos dimmbar. Die Photovoltaik hat den Höhepunkt in den warmen Jahreszeiten, da hat man aber den wenigsten Wärmebedarf. Überhaupt wird die Kühlung mit den steigenden Temperaturen in der Sommerzeit zunehmend wichtiger, alleine deshalb können die wassergetragenen Systeme nicht wegkommen. Infrarotpaneele kann man nicht „umdrehen“ und mit einer Klimaanlage hat man erst recht einen zweiten Stromverbraucher.
TGA: Wo sehen Sie trotzdem geeignete Anwendungsbereiche für die Infrarotheizung?
Richard Freimüller: Für Bäder oder Einzelanwendungen gibt es mit Infrarot zum Beispiel super Lösungen, das hat schon seine Berechtigung. In Bädern gibt es aufgrund von Flächenmangel oft zu wenig wassertragende Systeme. Das generelle Ablösen von wassergeführten System ist aber ein Wunschdenken. Wir können es uns als Gesellschaft einfach nicht leisten, wir müssen Energie einsparen und nicht schauen, dass wir mehr verbrauchen.
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