Interview mit Prof. Hermann Halozan

Interview mit Prof. Hermann Halozan

Zeitzeugen und Wegbegleiter der Wärmepumpe Austria

 

Herr Prof. Halozan, in welchem Jahr haben Sie zum ersten Mal von der Wärmepumpentechnologie gehört?

Damals, Ende der 1970er Jahren, war ich als junger Hochschulassistent (heute Univ. Prof. i.R.) am Institut für Dampfkesselbau, Reaktortechnik und Wärmewirtschaft (heute Wärmetechnik) der Technischen Hochschule Graz (heute TU Graz) spezialisiert in theoretische und experimentelle Untersuchungen von konventionellen und nuklearen Dampferzeugern. Nach dem 2-jährigen (in Wirklichkeit 15-jährigen) Verlust unseres Labors hat mein damaliger Chef Univ. Prof. DI Dr.techn.  P. V. Gilli die Forschungsrichtung geändert und wir haben in Projekten der Wohnbauforschung gearbeitet, zuerst solarthermischen Anlagen wie Warmwasserbereitung und Heizung, dann solarthermische Anlagen mit Wärmepumpen-Unterstützung und schließlich Wärmepumpenanlagen. Wir haben Jahres-Simulationsprogramme für Wärmepumpenheizungen (mit händisch abgeschriebenen Stundenwerten von Temperatur, Feuchte und Sonneneinstrahlung) entwickelt und damit die Möglichkeiten und Deckungsgrade derartiger Systeme untersucht.
 
Die 1970er Jahre waren aber auch die Jahre der Ölpreisschocks, 1973 der erste, der 1974 zur Gründung der IEA, der Internationalen Energieagentur, mit Sitz in Paris geführt hat, und 1979 der zweite, der auch bei uns starke Auswirkungen zeigte: Energiesparende Maßnahmen wurden staatlich gefördert, es gab das berüchtigte Staribacher Pickerl für den autofreien Tag; Wärmepumpen wurden nicht gefördert.
 
Die IEA hatte 1980 ihre Strategiestudie veröffentlicht: demnach sei das Einsparungspotential von Öl in der Industrie eher gering, im Verkehrssektor wäre der Ölverbrauch dramatisch steigen, der einzige Bereich mit einem relativ rasch zu realisierendem Potential ist der Gebäudebereich, wobei der Hauptanteil mit Wärmepumpen erfolgen sollte, nur ein kleiner Teil durch Solarthermie. Unter maßgeblicher Beteiligung von Prof. Gilli wurde das Arbeitsübereinkommen IEA Wärmepumpenprogramm mit dem IEA Wärmepumpenzentrum etabliert und wärmepumpenrelevante Projekte bearbeitet, an denen ich mitarbeiten durfte. Ein Brief von Prof. Gilli an Bundeskanzler Bruno Kreisky um Förderung der Forschung auf dem Gebiet Wärmepumpen endete mit der Antwort: Wärmepumpen sind eine voll entwickelte Technologie, weitere Arbeiten sind nicht erforderlich.
 

Wie haben Sie die Entwicklung der Technik wahrgenommen, was waren die Highlights?

Bekannt wurde die praktische Anwendung der Wärmepumpe durch das Programm der RWE in Deutschland mit monovalenten Grundwasserwärmepumpen und bivalenten Außenluft-Wärmepumpen mit Umschalttemperaturen von 5°C, was natürlich auch für das Netz sehr hilfreich war, tiefe Temperaturen wurden vom Kessel abgedeckt.
 
Bei uns hat die OKA ein Schulsanierungsprogramm gestartet (die Gebäude wurden thermisch verbessert und der Kessel wurde durch eine Wärmepumpe ersetzt). Die Erfolge dieses Programms haben bewirkt, dass die OKA auch Wärmepumpen für Einfamilienhäuser gefördert haben, nicht zuletzt aus der Erkenntnis heraus, dass Wärmepumpen kein Konkurrent zur Elektro-Direktheizung sind, sondern einen neuen Markt erschließen.
 
Die österreichischen Wärmepumpenhersteller, meist kleine Kältetechnik- und Elektrofirmen, haben, entsprechend dem RWE Programm, Außenluftwärmepumpen für bivalente und Grundwasserwärmepumpen für monovalenten Betrieb produziert und oft auch installiert; auf Grund der restriktiven Zulassungen von Grundwasserwärmepumpen wurde dieser Bereich durch Erdreichwärmepumpen mit Flachkollektoren und später mit Tiefensonden erweitert, wobei Flachkollektor-Direktverdampfungs-Erdreich-Wärmepumpen damals den Markt dominierten.
 
Mit der Gründung von österreichischen Wärmepumpenfirmen Ende der 1970er Jahre begann sich die Situation zu ändern, es gab einen starken Wettbewerb zwischen den Herstellern, es gab viele Anlagen, die nicht zufriedenstellend oder gar nicht funktionierten. Daher wurde 1989 die Leistungsgemeinschaft Wärmepumpe gegründet und im Fachverband der Bundes­wirtschafts­­kammer als Umgebung angesiedelt; der damalige Präsident Rudolf Sallinger wollte keine Marketingaktivitäten für die Wärmepumpe. Der erste Obmann der LGW war Peter Lamm, der versuchte, Ordnung in die Branche zu bringen.
 
Diese Leistungsgemeinschaft (heute Wärmepumpe Austria) hat aber noch mehr getan: Auf Initiative der Schweiz wurde DACH, eine Zusammenarbeit zwischen Deutschland, damals Bayern (D), Österreich (A) und der Schweiz (CH) ins Leben gerufen. Ziel war die Entwicklung eines Wärmepumpengütesiegels, das außer Mindestwerten bei den Norm-Prüfpunkten noch andere Kriterien enthalten sollte, wie Garantie für 2 Jahre, Ersatzteilhaftung für 10 Jahre und Service innerhalb von 24 Stunden.
 
Als 1999 die europäische Wärmepumpenvereinigung EHPA geründet und später von DI Karl Ochsner und seinem General Secretary Thomas Nowak in geordnete Bahnen gebracht wurde, hat DACH die Initiative gestartet, aus dem DACH Gütesiegel ein europäisches Gütesiegel zu machen, was 2007 mit Schweden geglückt ist; seither gibt es den EHPA Heat Pump Quality Label. Dieses Quality Label hat sich inzwischen von den Norm-Messwerten zu einer Jahresarbeitszahlbewertung abhängig von der Klimazone und den erforderlichen Heizungs­temperaturen weiterentwickelt. Parallel dazu gibt es noch ein Zertifizierungssystem. 
 

Was waren prägende Erlebnisse in Ihrer aktiven Zeit in der Branche?

Das Förderprogramm der OKA war einfach, aber sehr effektiv. Über funktionierende Anlagen gab es bei der OKA einen Flyer mit der Adresse des Betreibers, dem Installateur und der eingesetzten Wärmepumpe. Diese Flyer zeigten dem Interesssenten, wer in seiner Gegend Wärmepumpen­heizungen installiert. Wenn nun eine Anlage nicht zufriedenstellend lief, hat OKA die Verbesserung urgiert. Wenn das nicht erfolgte, wurde die Anlage aus dem Flyer entfernt. Dieses Programm führte zu einem Wärmepumpen-Hotspot in Oberösterreich.
 
Direktverdampfungs-Flachkollektorwärmepumpen waren die effizientesten Heizungs­systeme. Das Problem bestand darin, dass erst bei der Montage der Kältekreislauf geschlossen werden konnte. Die Firma Neura hat ein vorgefertigtes Modell mit Propan als Kältemittel auf den Markt gebracht, bei dem der Kältekreislauf im Werk geschlossen werden konnte. Mit einer derartigen Anlage wurde erstmalig eine Jahresarbeitszahl von 4 überschritten.
 
Karl Steinkellner hat Tiefensonden für Direktverdampfungssysteme entwickelt, die hervorragend gelaufen sind. Auf Grund der Fertigung waren sie leider zu teuer.
 
Karl Mittermayr hat Thermosyphon-Tiefensonden mit CO2 als Kältemittel entwickelt. Im Erdreich war also nur CO2, das System war einfach ins Erdreich einzubringen und funktionierte hervorragend. Auch hier war die Verbindung Sonde/Wärmepumpe relativ aufwendig.
 
Kurt Atzgerstorfer von der ELIN hat Wärmepumpenanlagen für Hotels und Rehabilitations­zentren realisiert, bei denen die Wärmequelle primär Abwärme war: die Spitzenlast wurde durch die örtlich günstigste zur Verfügung stehende Quelle abgedeckt.
Otto Oberhumer hat ähnliche Projekte mit Thermalbädern durchgezogen.
 

Welche Schwierigkeiten und Herausforderungen gab es damals?

Schwierigkeiten gab es immer, es waren der Strom zum Antrieb von Wärmepumpen, es waren die eingesetzten Kältemittel, es war die Gefährdung des Grundwassers durch Erdkollektoren und Erdsonden, und es war der Wettbewerb wie Kesselhersteller und Brennstofflieferanten – Öl, Gas, Biomasse. 1979 war es die Verknappung von Öl, 1987 war es die Zerstörung der Ozonschicht durch die Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe, jetzt ist es der Treibhauseffekt der Kältemittel.
 
Strom wurde damals von der Politik und der Gesellschaft äußerst kritisch beurteilt – Kernenergie ist gefährlich (Zwentendorf 1978), Dampfkraftwerke haben einen schlechten Wirkungsgrad, Wasserkraftwerke zerstören die Natur (Hainburg 1964) - und war damit ein starkes Argument gegen Wärmepumpen. Heute ist das anders: Bestehende Wasserkraft wird akzeptiert, neue eher nicht. Richtig erneuerbar ist Strom aus Wind und Photovoltaik. Das Problem von Wind und Photovoltaik ist, dass Strom erzeugt wird, wenn der Wind weht und die Sonne scheint und nicht unbedingt dann, wenn wir ihn brauchen. Wir brauchen also Speicher, aber effiziente Pumpspeicher sind auch nicht erwünscht und Batteriespeicher sind sehr teuer. Dazu kommt, dass durch die Elektrifizierung vieler neuer Bereiche (Gebäude, Verkehr und Industrie) der Strombedarf stark steigend ist.
 
Damals mussten die als Kältemittel eingesetzten Fluor-Chlor-Kohlenwasserstolle auf Grund ihres Ozonzerstörungspotentials (Montreal 1987) durch Fluor-Kohlenwasserstoffe und später diese auf Grund ihres Treibhauseffekts (älter als die Ozonzerstörung, aber noch immer nicht gelöst) durch Hydrofluorolefine oder die „alten“ natürlichen Kältemittel (Ammoniak, Kohlendioxyd, Propan, Isobutan etc.) ersetzt werden. Das scheint nicht sehr problematisch zu sein, aber Ammoniak ist giftig und brennbar, CO2 ist ein Hochdruckkältemittel, Propan und Isobutan sind explosiv, und das heißt andere Verdichter und Komponenten, andere Schmieröle und vor allem andere Sicherheitseinrichtungen. Man versucht über Füllmengen und neue Definitionen der Brennbarkeit das Problem zu lösen, aber ganz einfach ist es nicht.
 
Das sind die großen Probleme, die kleineren, die allerdings richtig wehtun, sind Behörden, die Feldtankstellen erlauben und Erdkollektoren verbieten, die Bohrlöcher tiefer als 100 m verhindert haben, die aus Schallschutzgründen zusätzliche Außenluftwärmepumpen verbieten, da dadurch der zulässige Schallpegel überschritten werden könnte.
 
Ein weiteres Kapitel sind Förderungen: Solarthermie wurde massiv gefördert, obwohl der erfolgreiche Einsatz, aber auch die Grenzen inzwischen bestens bekannt sind. Biomasse, also Pellets und Hackschnitzel, gelten als CO2-neutral (was immer das bedeutet) und werden ebenfalls stark gefördert. Nach der Meinung von Fachleuten besteht die nachhaltige Nutzung von Biomasse als Baustoff, und nicht als Brennstoff.
 
Wärmepumpen wurden erst in den letzten Jahren gefördert, wobei es speziell mit der Außenluftwärmepumpe bezüglich erneuerbarer Energie lange Schwierigkeiten gab. 
 

Wie würden Sie Ihre Rolle bei der Entwicklung der Wärmepumpe beschreiben?

Ich hatte damals die Gelegenheit, im IEA Wärmepumpenprogramm und im IEA Wärmepumpenzentrum mitzuarbeiten sowie bei der Organisation der ersten IEA Wärmepumpenkonferenz in Graz 1983. Seither ist Graz auf dem Sektor Wärmepumpen international bekannt. Später wurde ich österreichischer Delegierter im IEA Wärmepumpenprogramm, wo ich das internationale Organisationkomitee für die Wärmepumpenkonferenz in Berlin und die Organisation der Wärmepumpenkonferenz in Peking geleitet habe. Später wurde ich österreichischer Delegierter in der IEA End Use Energy Workingparty EUWP.
 
Durch meine Arbeiten auf dem Gebiet Wärmepumpen bin ich auch im Internationalen Kälteinstitut – IIR/IIF – Präsident von Commission E2 Wärmepumpen und Rückgewinnung sowie Mitglied des Management Committee und des Scientific Council geworden. Damit hatte ich Gelegenheit, bei vielen internationalen Veranstaltungen Österreich und Arbeiten aus Österreich zu präsentieren, viel zu lernen und Erkenntnisse nach Österreich zu bringen. 1997 habe ich die IIR Konferenz Heat Pump System, Energy Efficiency and Global Warming in Linz organisiert (eine IIR Konferenz zu bekommen ist nicht so einfach).
 
Ich habe von Anfang an in der LGW mitgearbeitet und mich bemüht, die Organisation zu unterstützen. Ich war in die Arbeiten von DACH und später der EHPA beteiligt und seit 2007 maßgeblich in der EHPA und im österreichischen Quality Label Committee aktiv.
 

Warum führt heutzutage an der Wärmepumpe aus Ihrer Sicht kein Weg vorbei?

Damals und auf Grund der technologischen Entwicklung heute noch mehr stellt die Wärmepumpe - thermodynamisch und in der Praxis - die effizienteste Methode zur Bereitstellung von Nieder- und Mitteltemperaturwärme für Heizung und Warmwasser­bereitung dar, in Verbindung mit grünem Strom ohne treibhausrelevante CO2-Emissionen.
 
Wärmepumpen müssen auch eine führende Rolle im Bereich Wärmerückgewinnung spielen, wenn wir die hochgespannten Umweltziele bis 2050 erreichen wollen.
 

Herman Halozan war Universitätsprofessor am Institut für Wärmetechnik an der Technischen Universität Graz.

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